Stets findet Überraschung statt. Da, wo man’s nicht erwartet hat.
Wilhelm Busch
Wenn ein Beitrag schon mit einem bedeutungsschwangeren Zitat beginnt, dann hat der Autor entweder einen akuten Anflug von Weltschmerz, der Lieblingsverein hat gerade die Champions League gewonnen oder aber es folgt eine Erzählung über einen wirklich tollen Ort.
In meinem Fall gibt es für ersteres zum Glück keinen Grund und zweiteres ist noch unwahrscheinlicher als die erfolgreiche Karriere eines DSDS-Gewinners. Bleibt also nur Punkt 3.
Tatsächlich wissen wir nur wenig über Khao Lak, als wir hier ankommen. Entsprechend niedrig angesetzt ist die allgemeine Erwartungshaltung. Ao Nang hat uns, vom wirklich tollen Guesthouse einmal abgesehen, nicht besonders gefallen. Die Chancen, das zu toppen, stehen daher gut.
Anreise von Krabi nach Khao Lak
Doch vor den Erfolg haben die Götter den Schweiß gesetzt und so sind zunächst frühes Aufstehen und eine Fahrt im Minivan auf der Tagesordnung. Nach einer fast schon rührenden Verabschiedung von unserem Guesthouse-Besitzer fährt uns das Taxi von Ao Nang zur Busstation in Krabi. Von hier aus starten Transporte in alle Winkel des thailändischen Südens. Die Thai-Logistik klappt wie immer auch hier erstaunlich gut: Bei Ankunft am Sammelplatz bekommen wir einen Sticker ans Shirt geheftet, auf dem in krakeligen Lettern „Lak“ geschrieben steht. Dann warten wir.
Und warten.
Sie funktioniert zwar gut, die Thai-Logistik, aber eben nicht immer pünktlich.
Um uns herum herrscht emsiges Treiben, Menschen kommen, Menschen gehen, Koffer werden umhergeschoben und Taschen in Busse verladen.
Dann, eine Stunde über der Zeit, sind wir an der Reihe. Für den Transport ins 135 km entfernt gelegene Khao Lak werden zwei bis zweieinhalb Stunden Fahrzeit angegeben. Wir benötigen derer knapp vier, weil der Fahrer noch eben einen Abstecher nach Khao Sok macht, um ein paar Mitreisende abzusetzen. Letztlich sind wir allerdings froh, überhaupt heil anzukommen, denn ähnlich wie beim letzten Busfahrer in Malaysia steckt auch in diesem ein verkappter Formel 1-Pilot mit Tötungsabsicht. Ohne Rücksicht auf Verluste wird da in der Kurve überholt, Auge in Auge mit dem heranbrausenden Gegenverkehr. In diesem Moment sind wir ganz froh, in der hintersten Reihe zu sitzen, wenngleich das beengtere Platzverhältnisse mit sich bringt.
Auch das gehört zur Thai-Logistik.
Und wo wir gerade dabei sind, ein kleiner Exkurs in Sachen „Irgendwie typisch Thai„: Die Fahrer haben hier im ersten Moment grundsätzlich keinen blassen Schimmer von der geografischen Lage des Ziels, das man ihnen soeben genannt hat. Ganz gleich ob Hotel, Straße oder Sehenswürdigkeit. Selbst das zur Hilfe gereichte Smartphone samt Google Maps und der Adress-Darstellung in thailändischer Schrift ist selten auf Anhieb von Erfolg gekrönt. Meist wird dann erstmal ein nahestehender Kumpel zur Hilfe herbei gewunken oder ein anderer angerufen. In beiden Fällen wird der gesuchte Begriff dann mehrmals in unterschiedlichen Betonungen und Sprechweisen wiederholt. Das geht so lange, bis man sich augenscheinlich auf eine Ausspracheform verständigt hat. Dann schauen die Beteiligten wie vom Blitz der Erkenntnis getroffen auf, gefolgt von einem erkenntnisvollen „Ahhh, [hier den gesuchten Begriff einsetzen]!“. Ja, sagen wir doch die ganze Zeit! Als Nicht-Thai hört man die feinen Nuancen in der Aussprache natürlich nicht heraus, für uns klingt das Wort noch immer exakt so, wie wir es zuvor schon gesagt haben.
Warum ich das hier so ausführlich beschreibe? Nun, weil sich unser Fahrer als ein besonders hartnäckiger Vertreter dieser Spezies erweist und vehement auf ein Hotel zeigt, dass er als unseres ausgemacht haben will. Dass es sich bei „Motive Cottage“ aber nun mal nicht um „Nautical Home“ handelt, kann oder will er beim besten Willen nicht verstehen. Zum Glück hat ein netter Mitreisender sein Navi griffbereit und versichert uns, dass unsere Unterkunft nur 5 Gehminuten die Straße runter gelegen ist. Jetzt scheint auch der Fahrer zu begreifen, murmelt irgendwas von wegen „far away“ und dass er uns für 100 Baht extra hinfährt, doch das lehnen wir dankend ab.
Besagte 5 Minuten später stehen wir vor unserer Unterkunft, dem Nautical Home Bed & Breakfast.
What shall we do with the drunken sailor?
Nach eifriger Recherche hat Verena das kleine Gästehaus im Netz entdeckt. Die Bewertungen sind top, ebenso der Preis von 34 Euro für ein Doppelzimmer inklusive Frühstück — erst recht wenn man bedenkt, dass Unterkünfte in Strandnähe sich diesen Bonus häufig teuer bezahlen lassen.
Die Dame am Empfang stellt sich uns als Nat vor und ist die Betreiberin des B&Bs. Wir sind überrascht, wie gut sie Englisch spricht und es stellt sich heraus, dass sie mehrere Jahre in den USA gelebt und studiert hat.
Der Name des Gästehauses ist Programm und wird konsequent durchgezogen: Weiß und blau sind die vorherrschenden Farben, nautische Details wie Steuerräder und Anker hängen an den Wänden oder stehen auf den Regalen, die Zimmer tragen passende Bezeichnungen wie „Sailor“ oder „Pirate“. Für Asien-Verhältnisse ist die Deko hier erstaunlich gut aufeinander abgestimmt. Ein Umstand, der wohl auf Nat’s Marketing-Background zurückzuführen ist, arbeitete sie doch etliche Jahre bei BMW in Bangkok.
Der tolle erste Eindruck setzt sich dann auch in den Zimmern fort. Wir beziehen unser Quartier an „Deck“, ein kleines, feines Doppelzimmer, hell und freundlich eingerichtet und durchweg sauber.
Guter Dinge verstauen wir unser Gepäck und machen uns auf zu einer ersten Erkundungstour durch die umliegende Gegend.
Willkommen im 17. deutschen Bundesland
Wir wohnen im Einzugsgebiet des Bang Niang Beach, der neben dem südlicheren Nang Thong und dem nördlicheren Khu Khak zu den bekanntesten Stränden der Region zählt. Größere Ortschaften gibt es in Khao Lak nicht, der Hauptort La Ohn ist als solcher kaum auszumachen. Die Hauptstraße Thanon Phetkasem zieht sich als Hauptverkehrsader durch die Region, von ihr gehen mehrere kleine Straßen ab, die zu den Stränden und Hotels führen.
Mit einem Schritt vor die Tür stehen wir quasi schon im ersten Restaurant, von denen es im näheren Umkreis gefühlt hunderte gibt. Daneben finden sich etliche kleinere Bars mit Live-Musik, Massagebuden, Maßschneider, Optiker, Supermärkte und Tauchanbieter, die Ausflüge zu den bekannten Spots auf den Similian Islands und Surin Islands anbieten. Keine Frage: Der Ort ist auf touristische Vollversorgung eingestellt — anders als Ao Nang gelingt ihm das jedoch mit einer angenehm zurückhaltenden Unaufgeregtheit. Hier wirkt alles irgendwie breiter, größer, aufgeräumter, entzerrter. Das Angebot an Unterhaltung, Verköstigung, Entspannung und Action ist so reichhaltig, dass sich die Besucher zwangsläufig in alle Richtungen verteilen und man kaum in Verlegenheit kommt, einander auf die Füße zu treten.
Verwendete ich gerade den Begriff „aufgeräumter“? 500 Meter Fußmarsch später haben wir eine Ahnung, was der Grund sein könnte: Hier wimmelt es von deutschen Urlaubern! Entsprechend angepasst ist das Angebot: Speisekarten, Ladenschilder, Touren, überall finden sich neben englischen auch deutsche Beschreibungen. Gästehäuser tragen deutsche Namen und das Erdinger Weißbier scheint omnipräsent. Im ersten Moment finden wir das ein bisschen furchtbar, arrangieren uns jedoch mit zunehmender Aufenthaltsdauer damit. Zumal, wie gesagt, das alles hier relativ unaufdringlich wirkt und es abseits der Wege noch immer genug Thailand zu bestaunen gibt.
Hier kommt es uns sehr zupass, dass wir uns nach und nach mit unserer Gastgeberin Nat anfreunden. Immer wieder bietet sie an, uns zu den entlegeneren Stränden zu fahren, versteckte Thai-Food-Oasen zu besuchen oder sie zur Kosmetik zu begleiten, wo wir uns eine entspannende Fußmassage (ich) und das volle Pediküre/Maniküre-Programm (Verena) verpassen lassen.
Der Bang Niang Beach
Nach rund 10 Minuten Fußmarsch erreichen wir den Bang Niang Beach — und sind verzückt: Goldgelber Sand erstreckt sich kilometerweit am Wasser entlang, Fischerboote treiben draußen auf dem wogenden Nass, kleine Muscheln und bunte Steine bilden schöne Farbtupfer und vereinzelte Palmen spenden zumindest ein klein wenig Schatten. Das alles haben wir beinahe für uns allein, nur eine Handvoll Menschen bevölkert den Strand. Die Bewohner des angeschlossenen Ramada Resorts fallen kaum auf, da sie nicht direkt am Wasser, sondern etwas zurückgezogen oberhalb des Strands auf einem Hügel ihr Liegestuhl-Domizil eingenommen haben.
Versackt in Khao Lak
Den herrlichen Sonnenuntergang am Bang Niang Beach noch vor dem geistigen Auge, machen wir uns auf den Weg zurück ins Hotel. Noch am selben Abend werden wir unseren Aufenthalt um drei Nächte verlängern.
Was wir da noch nicht wissen: Es wird nicht bei diesen drei Nächten bleiben. Bevor wir am 24. Februar von Krabi nach Singapur fliegen und damit unser vorläufig letztes Kapitel in Südostasien aufschlagen, werden wir 20 Nächte in Khao Lak verbracht haben.
Wir werden unsere Pläne, nach Koh Lanta zu fahren, über Bord schmeissen.
Wir werden mit dem Roller durch die Gegend fahren und ein ums andere mal mit der Luftmatratze übers Wasser paddeln.
Wir werden unzählige Male mit den Füßen über den warmen, weichen Sand laufen.
Wir werden Stunden am Strand liegen und in der Sonne dösen.
Wir werden frische Zutaten auf dem Markt kaufen und selbst Thai-Essen kochen.
Wir werden durch Wälder wandern, über Baumwurzeln klettern und an Wasserfällen relaxen.
Wir werden mit Gästen aus aller Welt und Nat, die wir tief in unser Herz schließen, abseits des Trubels authentisches Thai-Essen genießen.
Wir werden auf dem Nachtmarkt haufenweise selbstgemachtes Eis und sündhaft-leckere Banana Pancakes essen.
Kurz: Wir werden die Zeit in Khao Lak in vollen Zügen genießen.
Doch von all dem wissen wir an diesem Abend noch nichts.
3 Comments
Während ich euren Bericht lese, muss ich automatisch an die Zeit denken, welche wir gemeinsam in Thailand verbracht hatten… So viele schöne Bilder tauchen wieder auf und das wundervolle Gefühl von einfach nur glücklich sein kommt wieder hoch. Danke für einen Moment der Glückseligkeit 🙂
Das war der wohl schönste Bericht, den du bisher geschrieben hast. Da bekommt man megamäßig Fernweh! Vorallem von dem letzten Absatz.
Danke, dass ihr uns teilhaben lässt von eurer tollen Reise. ?
Vielen lieben Dank und gern‘ geschehen 🙂